Tage 12 und 13

Endlich: Der Hellemofjord

Nach der wegweisenden Entscheidung, den Weg Richtung Hellemofjord zu beschreiten, hieß es für uns heute erstmal, den Weg zurückzugehen bis zur Weggabelung. Also auch ein erneutes Fußbad, diesmal bei morgendlichen frischen Temperaturen (nicht, dass diese am Mittag etwas höher gewesen wären). Als "Abkürzung"wählten wir einen abenteuerlichen Abhang am Ausläufer des Skájdevárre.

Shortcut durch fast senkrechtes Terrain.
Das tut den Knien weh. Was auf der Karte wie eine gute Abkürzung aussieht, entpuppt sich als waghalsige Kraxelei.

Rückzug, wie wir gekommen waren. Also wieder Schuhe aus und rein da.
Lieber die Sandalen angezogen. Bis hier ein Arzt deine klaffende Wunde in der Fußsohle reparieren kann, kanns schon reichlich spät werden.
Dieser Morgen war ausgesprochen kühl, nebelverhangen und frischer Wind ging durch das Hochtal. Trotzdem hatten wir alle unsere Freude an dem erfrischenden Fußbad, das uns den letzten Schlaf aus den müden Knochen trieb.

Einhellige Meinung: Lass nochmal im Sommer herkommen. Sommer?
Dort, wo die Wolken so tief hängen, ist Norwegen. Da wollen wir hin.
Der Weg führte uns dann in eine echte Mondlandschaft aus Felsen und Eis. Viele Seen rechts und links des Weges, die ersten norwegischen Seemöwen und Gletscherluft begleiteten uns den Sattel hinauf zur schwedisch-norwegischen Grenze. Einige großflächig überschwemmte Flächen trugen dazu bei, dass unsere ohnehin nassen und kalten Füße ihr Übriges abbekamen. Dafür bot sich uns auf der Grenze ein wahrlich erhabener Augenblick, den wir unbedingt fotographisch festhalten mussten:

Kleiner Grenzverkehr: Poser-Foto auf der Riksgränsen met Norge.
<br />
Als obs da anders sein würde.
Ob die viel zu reichen Norweger überall entlang ihrer Grenze diese Schilder aufstellen? Wahrscheinlich beschäftigen die auch noch Leute, die die vom Moos befreien.

Was tausendjährige Eiszeiten so abschleifen: Auf dem Felsplateau hinter dem Gussajávri in Norwegen.
Elefantenbuckel-Felsen.

Kaum ist man in Norwegen, wird die Umgebung viel felsiger, rauher.
Sieht doch eigentlich gar nicht so ungemütlich aus? Aber das Fjell-Klima auf 750 Metern Höhe macht dieses Kleinod zu einem Wagnis.
Die bizarre Felsenwelt droben auf dem Fjell wurde zusehends rauer und wilder, kalte Luft wehte uns vom Fjord her ins Gesicht. Der Weg schlängelte sich durch ein Gewirr von kleinen Seen, Felsbrocken und Überhängen. Immer wieder mussten wir auf allen Vieren auf schiefen Felsplatten vorwärtskriechen.

wie die wilden Trolle springen wir von Fels zu Fels.
Die Steintürmchen dienen als Wegmarkierung. Eine Wandererregel lautet: Umgestürzte Steinmänner müssen wieder aufgebaut werden, um nachfolgende Wanderer nicht in die Irre zu führen.

Unverhofftes rendez-vous mit dem Gletschersee Gussajávri.
Zum Glück gab es hier eine Art Furth, über die es sich einigermaßen einfach gehen ließ. Wären die Steine nicht so glibschig gewesen.
Und dann endlich, nach fünf Stunden Anstieg: Der Fjord ist in Sicht! Erleichtertes Staunen ob der gigantischen Kulisse, die sich uns bot.

Wir stehen am Ende des Fjords, in 800 Meter Höhe, unter uns liegt Hellemobotn
Olli, Arne, Raffi und Peter stehen vor dem 800 Meter tiefen Abgrund. Nichts für schwache Gemüter.

Peter, Holger, Raffi stehen am Hellemofjorden
Bekanntes Bild aus Film und Presse. Der Hellemofjord führt nach etwa 50 Kilometern in das weite Meer hinaus.

Wasserfall des Gussajávri
Tief fällt das Wasser. Die Grenzziehung stellt sicher, dass nur norwegisches Wasser nach Norden fließt. Schwedische Gewässer münden in die Ostsee.
Eigentlich kamen wir aus dem "Fern"sehen gar nicht mehr raus. Der lange Abstieg hinunter zum Wasser stand uns jedoch noch bevor. Und dabei war es schon längst mittags. Deswegen ging es nach kurzer, intensiver Stärkung mit der üblichen Ration Knäckebrot und Käse, etwas frischem Quellwasser und einer Dattel abwärts.


Mittagsration bei absoluter Erschöpfung
Die typische Verzehrstellung. Keine unnötige Energievergeudung. Kein Wort zuviel. Der Abstieg steht uns noch bevor.

Am Hang des Coruk, mit Moos und Flechten bewachsener feuchter Fels
Schritt für Schritt wird mehr vom Fjord sichtbar.

Das ist der Hellemojford!
Und dann steht er in seiner ganzen Breite vor uns. Allerdings immer noch 400 Meter unter uns, und einige Kilometer entfernt.
Erwähnt werden muss hier noch die absurde Situation, in der wir uns befanden:
Wir wussten ja bis hierhin nicht, ob wir unten am Fjord eine Möglichkeit vorfinden würden, ein Boot zu organisieren. Auf der Karte war ein kleiner schwarzer Punkt verzeichnet. Das konnte alles sein: Ein verlassenes Reservatshaus, ein alter Bunker, eine optische Täuschung.

Apropos Bunker: Die gab es in den Felsen hier am Fjord tatsächlich, an zweien sind wir auch vorbei gekommen. Diese dienten im Zweiten Weltkrieg der Verteidigung der deutschen Nordmeertruppen, die sich hier verschanzt hatten, um auf die alliierten Gegnertruppen zu warten.
Kämpfe hat es dann vor allem in Narvik und Umgebung gegeben.

Rechts gehst 300 Meter senkrecht abwärts...
Mit Stahlpfosten im Fels verankert, sollten Baumstämme und Steine das Abrutschen verhindern.

Verschnaufpause, hohe Konzentration wegen großer Gefahr...
Trotzdem rutschten wir immer wieder bedrohlich nahe an das vermeindlich sichernde Stahlseil heran.
Die Norweger sind, was ihre Wegführung angeht, ziemlich schmerzbefreit. Schwindelfrei zu sein, kann durchaus von vorteil sein. Wir mussten schon ziemlich konzentriert jeden Schritt planen, um nicht auf dem nassen, 30-45° geneigten Fels auszugleiten und dann wohl unweigerlich den Abgang in die Tiefe zu machen. Nun ja, ein bisschen Spaß muss dabei sein.
Von unten sah das Ganze dann nochmal ein bisschen gefährlicher aus:

Die schiefe Ebene von unten: tief wäre man gefallen.
Im Talboden konnten wir erstmal verschnaufen. Abgestürzt ist hier hoffentlich noch niemand.
Bevor wir endlich hinter das Geheimnis des schwarzen Punktes auf der Karte kamen, wanderten wir auf ebenem Grund durch einen echten Geisterwald. Ein starker Frühlingssturm hatte in 2006 fast alle Bäume umgeknickt. Der gesamte Betsand an gut gewachsenen, rund 10 Meter hohen Fichten wurde nun nach und nach aus dem Wald geholt.

Damit war es dann auch klar: Wo Menschen sind, ist auch ein Boot. Und tatsächlich: Ein echtes kleines Aussteigerdorf zeigte sich hinter einer letzten Berguppe. Einige Kinder kamen sofort auf uns zugelaufen, als ob wir Marsmenschen wären. Ein netter "Bürgermeister" des 12-Seelen-Dorfes konnte uns mitteilen, dass Italien Weltmeister geworden war und das Sonntagabend ein Boot gehen würde.

Das Holzfäller- und Aussteigerdorf Hellemobotn
12 Seelen, einige Hunde und viel Holz. Das ist Hellemobotn. Freitags bringt das Boot die Einwohner, sonntags holt es sie wieder ab.

Erleichtert, erschöpft, angewidert von der Zivilisation
So geht unsere Wildnisfahrt zuende.

Kochen
Nach 1000 Höhenmetern Auf- und Abstieg und 8 Stunden Seewind darf es was Gutes zu essen sein.
Unsere Kohte stand etwas entfernt von den Häusern, jenseits eines großen Flusses, der laut brausend in den Hellemofjord mündet. Gegen die riesige Feldwand betrachtet, die aus dem Wasser senkrecht 500 Meter aufsteigt, sieht unsere Kohte wie der kleine schwarze Punkt auf der Karte aus. Vielleicht war das ja eine Vorhersehung...

Bilderrätsel: Wo ist die K0hte???
Hier oben hätte Globetrotter seine tollen Katalogtitelfotos gut machen können. 500 Meter blanker Fels ragen aus dem Fjord.

Fjordtristesse
Ein bisschen trübsinnig kann man hier schon werden. Thomas Dybdahl der norwegische Folksänger muss hier seine Inspirationsquellen haben.

Letzter Blick zurück.
Und jetzt stell dir das mal bei 3 Monaten fast völliger Dunkelheit vor...
Am Sonntagabend holte uns dann tatsächlich die Fähre ab. Mit uns fast die gesamte Dorfbevölkerung und die Müllcontainer.
Mal wieder typisch Norwegen: Selbst hier im verlassensten Winkel des Landes wird sorgsam der Müll getrennt, recycelt und mit dem Boot verschifft.

Nach der Schifffahrt und um viele Euro ärmer (diese reichen Norweger...) fanden wir uns in der schrecklich zivilisierten Welt wieder. Von Helland stiefelten wir ernüchtert und angewidert von dem Straßenlärm ins nächste Städtchen.
Dort vertilgten wir alle verbliebenen Rationen Knäckebrot und Belag auf einmal. Ein absurder Überfluss hatte sich auf einmal eingestellt. Aber irgendwie mussten wir uns ja auf den Kulturschock vorbereiten. Nach zwei Wochen Quellwasser und kleinsten Rationen sollten wir ja demnächst in einen Supermarkt zum Einkaufen gehen. Das will geübt sein!
In Dråg hatten wir noch am selben Tag Anschluss an einen Bus nach Narvik.

Straßenwandern. Schrecklich.
Eine kleine Straße führte uns 6 Kilometer von Helland nach Dråg.

Das Essen muss weg. Fünffachration.
Am Hafen von Dråg wurden wir von Jugendlichen belagert, die Papas aufgemotzten Jeep oder SUV spazieren fuhren. Diese reichen Norweger...

Das berühmteste Narvik-Motiv... natürlich auch mit uns!
Gegen 22.00 Uhr kamen wir am Busbahnhof in Narvik an. Die Fahrt war zuende.
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Tage 14 bis 17: in Narvik.

Lapplandfahrt 2006

Dies ist der Fahrtenbericht der Roverrunde des Stammes Waldreiter.
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